Es kommt zu anlegerfreundlicher Bewegung bei der Besteuerung von Termingeschäften.
Das höchste deutsche Steuergericht, der Bundesfinanzhof (BFH), hat nun bei der Prüfung im Rahmen eines Urteils aus Rheinland-Pfalz zur Termingeschäftsbesteuerung klare Worte gefunden:
Die Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäfte (ist) nicht mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes vereinbar.
Quelle: Bundesfinanzhof – https://www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidung/entscheidungen-online/detail/STRE202410113/
Nun hat also das höchste deutsche Steuergericht klare Worte gefunden.
Damit dürfte der Weg frei sein für eine zügige Abschaffung dieses unsinnigen Gesetzes zur Verlustverrechnugsbeschränkung für Termingeschäfte.
Praxis-Tip für Anleger:
Sprechen Sie mit Ihrem Steuerberater und verweisen Sie ihn auf (die obige Quelle zum BFH) und legen Sie bzw. Ihr Steuerberater Einspruch ein gegen die maßgeblichen Steuerjahre mit der Begründung zum aktuellen Beschluss vom 07. Juni 2024 des Bundesfinanzhofs (Az. VIII B 113/23).
Leitsätze des Beschlusses:
Bei der im Aussetzungsverfahren nach § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung gebotenen summarischen Prüfung ist die Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäfte gemäß § 20 Abs. 6 Satz 5 i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2020 vom 21.12.2020 (BGBl I 2020, 3096) nicht mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes vereinbar.
Detail-Analyse von Oliver Wißmann (Geschäftsführer und Voll-Jurist der AIquant GmbH) zu Termingeschäften:
Eine Analyse der aktuellen Rechtslage
Die Kontroversen um die Besteuerung von Termingeschäften, welche zahlreiche Anleger in existenzielle Schwierigkeiten gebracht haben, dauern an. Die im Jahr 2020 eingeführte Neuregelung besagt, dass Verluste aus Termingeschäften ausschließlich mit Einkünften aus denselben verrechnet werden dürfen, wobei diese Verrechnung auf 20.000 Euro pro Steuerjahr begrenzt ist. Da Privatanleger, insbesondere solche, die mit Differenzkontrakten (CFDs) handeln, in der Regel höhere Volumina bewegen, führte diese Regelung dazu, dass Finanzämter in einigen Fällen hohe Gewinne ansetzten und entsprechend hohe Steuerforderungen stellten, trotz erheblicher wirtschaftlicher Verluste.
Besonders beachtet wurde ein Urteil des Finanzgerichts (FG) Rheinland-Pfalz, das die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung in Zweifel zog und einem Anleger Recht gab, der auf einen vermeintlichen Gewinn von rund 23.000 Euro eine Steuerlast von etwa 60.000 Euro entrichten sollte. Das Finanzamt hatte jedoch einen Gewinn von 213.000 Euro angenommen.
Im Zentrum der Diskussion steht der allgemeine Gleichheitssatz gemäß Artikel 3, Absatz 1 des Grundgesetzes. Während das FG Rheinland-Pfalz Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit äußerte, entschied das FG Baden-Württemberg in einem vergleichbaren Fall anders. Obwohl der Senat des FG Baden-Württemberg ebenfalls verfassungsrechtliche Bedenken hatte, befand er, dass der Gesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum nicht überschritten habe. Die Begrenzung auf 20.000 Euro würde Verluste von Kleinanlegern „typischerweise“ sofort berücksichtigen, während Anleger mit höheren Vermögenswerten vom Abgeltungssteuersatz von 25 Prozent profitierten. Zudem verstoße die Regelung nicht gegen das Übermaßverbot, da Verluste vorgetragen werden könnten und künftige Gewinne aus Termingeschäften nicht ausgeschlossen seien. Das FG ließ jedoch die Revision „wegen der grundsätzlichen Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts“ zu.
Der Bundesfinanzhof (BFH) kam in der Überprüfung des Urteils aus Rheinland-Pfalz zu einer abweichenden Einschätzung hinsichtlich des Verlustabzugs. Nach Ansicht des BFH sei es unrealistisch, dass Vorträge effektiv genutzt werden könnten: Ein Steuerpflichtiger müsste, um einen Verlust von einer Million Euro zu verrechnen, noch 50 Jahre leben und in jedem dieser Jahre hinreichende Gewinne aus Termingeschäften erzielen. Die Richter führten aus, dass Steuerpflichtige gezwungen würden, weiterhin Termingeschäfte zu tätigen, selbst wenn sie aufgrund der Verluste diese einstellen wollten. Die Gesetzesbegründung, Kleinanleger vor hohen Verlusten zu schützen, sei somit nicht haltbar. Auch der Abschreckungscharakter der Regelung sei „kein tragfähiger Rechtfertigungsgrund“.
Im Leitsatz des BFH-Urteils heißt es daher: „Die Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäfte ist nicht mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes vereinbar.“ Dabei betonen die Richter nicht nur die asymmetrische Besteuerung von Gewinnen und Verlusten, sondern sehen keinen „sachlich einleuchtenden Grund“ für die Unterscheidung zwischen Steuerpflichtigen mit Verlusten aus Termingeschäften und solchen mit Verlusten aus anderen Kapitalanlagen.
Der BFH bewertet den Charakter von Termingeschäften generell anders als das FG Baden-Württemberg. Während letzteres Termingeschäfte als hochspekulativ ansieht, hebt der BFH deren regelmäßige Nutzung für Absicherungsgeschäfte hervor. Darüber hinaus kritisiert der BFH die Politik scharf: Die Versteuerung wirtschaftlicher Scheingewinne, wie im Fall aus Rheinland-Pfalz, deute darauf hin, dass „der Gesetzgeber weniger den Anleger vor hohen Verlustrisiken, als vielmehr den Fiskus vor Risiken für das Steueraufkommen schützen wollte“, ohne diese Risiken jedoch konkret zu beziffern oder inhaltlich zu untermauern. Ein solches fiskalisches Ziel könne die Beschränkung des Verlustausgleichs nicht rechtfertigen.
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